Die Aspekte der Vielfalt
Es gibt Phänomene, die uns immer wieder aufs Neue und auf ganz unvermutete Weise fesseln. Hierzu gehört die Vielfalt, die uns umgibt. In erster Linie denken wir dabei heute an Biodiversität. Doch Vielfalt gibt es auch im Unbelebten. Sie kann den Sinnen zugänglich sein, wie die Gestirne oder die Welt der Mineralien. Aber es gibt auch eine Vielfalt im Verborgenen. In diese fremde Welt entführt uns der erste Heftbeitrag.
Borexino: In Echtzeit in den Kern der Sonne schauen
Die Herkunft der schier unerschöpflich scheinenden Sonnenenergie hat die Menschheit seit alters beschäftigt und zu verschiedenen Spekulationen Anlass gegeben. Erst ab dem 19. Jahrhundert konnte man wissenschaftlich prüfbare Hypothesen formulieren, die sich zunächst als unhaltbar erwiesen, wie die Kontraktionstheorie von Hermann von Helmholtz und Lord Kelvin. Seit den 1930er Jahren wissen wir: Die gesuchte Energiequelle ist die Fusion von Wasserstoffkernen zu Heliumkernen, die auf zwei Wegen erfolgen kann. Stets werden dabei annähernd masselose, elektrisch neutrale Neutrinos freigesetzt, die Materie ungehindert durchdringen und bis zur Erde gelangen. Ihr Nachweis erfordert vor radioaktiver und extraterrestrischer Strahlung abgeschirmte Laboratorien, um die seltenen Wechselwirkungsvorgänge mit Hilfe einer als Detektor fungierenden Flüssigkeit zu registrieren. Mit dem im italienischen Gran-Sasso-Massiv installierten Borexino-Detektor gelingt es, die verschiedenen Komponenten des solaren Neutrinospektrums zu erfassen und damit unsere Modelle über den Aufbau der Sonne und die in ihr ablaufenden Vorgänge zu überprüfen.
Intransitive Beziehungen in der Biologie
Die Beziehungen zwischen Lebewesen kann man als ein Spiel mit verschiedenen Akteuren auffassen. Gibt es nur zwei Akteure, von denen der eine überlegen ist, so kann er den anderen verdrängen. Doch ein Dritter kann wie bei dem bekannten Schere-Stein-Papier- Spiel die Runde aufmischen, so dass sich keiner der Akteure durchsetzen kann. Jedem Spielteilnehmer sind somit nicht überschreitbare Grenzen gesetzt. Solche intransitiven Beziehungen sind in der Biologie vermutlich häufig, einige gut untersuchte Beispiele werden vorgestellt.
Was hat der Sozialdarwinismus mit Charles Darwin zu tun? Ein Gespräch mit dem Psychiater und Humanethologen Gerhard Medicus
Mit dem Begriff „Sozialdarwinismus“ verbindet sich die Vorstellung, dass es in der Natur einen gnadenlosen Wettbewerb und ein Recht des Stärkeren gebe, weshalb es sinnlos und sogar für die Gesellschaft schädlich sei, sich für Menschen einzusetzen, die dem harten „Lebenskampf“ nicht gewachsen seien. Wie konnte es zu dieser Interpretation von Darwins Theorie der Evolution kommen, und wie dachte Darwin selbst über die Natur des Menschen, über seine Lernfähigkeit und seine Kultur?
Sternbildung in frühen Galaxien
Galaxien haben vor allem in einer frühen Phase des Universums sehr viele Sterne gebildet. Danach fiel die Sternentstehungsrate deutlich ab. Jetzt konnte gezeigt werden, dass dafür ein Mangel an interstellarem Wasserstoffgas verantwortlich war.
Noch keine Kontinente in der Erdurzeit
Seit die ersten Astronauten zum Mond geflogen sind, kennen wir den Blick von außen auf unseren Heimatplaneten: weiße Wolken über leuchtend blauen Ozeanen und braun-beigen Kontinenten. Das war nicht immer so: Wir wissen mittlerweile, dass sich die Form und Verteilung der Kontinente im Laufe der Erdgeschichte immer wieder stark geändert haben. Ob Kontinente aber in großem Umfang von Anfang an existiert haben, ist noch eine offene Frage. Untersuchungen der beiden stabilen Sauerstoffisotope 18O und 16O in den Mineralen von uraltem Ozeanboden im heutigen Nordwesten Australiens lassen vermuten, dass es in der frühen Zeit der Erdgeschichte keine bzw. nur wenige kleine Kontinente gab, die aus dem weltweiten Ozean ragten.
Zuverlässige Statistik verlangt relevante Daten
Täglich werden wir mit statistischen Daten konfrontiert, auf denen die aktuellen Anti-Corona-Maßnahmen basieren. Inzwischen hat die Anzahl der positiv Getesteten jene überschritten, die im Frühjahr auf eine Besorgnis erregende Pandemie hinwies. Nach mehr als einem halben Jahr und einem neuerlichen Anstieg positiv Getesteter ist es an der Zeit, die täglich gemeldeten Zahlen genauer zu analysieren. Was hat sich in der Zwischenzeit verändert und welche neuen Kriterien sind zu berücksichtigen?
Offene Fragen zur SARS-CoV-2-Impfung
Für eine schnelle Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 gelten auf Nucleinsäuren basierende Präparate aktuell als Favoriten. Wegen der überwiegend intramuskulären Applikation steht allerdings zu erwarten, dass sie den Krankheitsverlauf lediglich abmildern, ohne grundsätzlich vor der Infektion zu schützen. Im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen wie Autoimmunreaktionen oder eine Verstärkung des Krankheitsverlaufs durch Antikörper warnen Immunologen vor allzu hektischer Zulassung.
Zur Biologie der Sialinsäuren
Die menschlichen Zellen erhielten vermutlich über Homo erectus vor etwa 0,6 bis 2 Millionen Jahren durch einen Gendefekt eine Oberfläche, die NAcetylneuraminsäure enthielt. Dagegen besaßen und besitzen die Zellen aller tierischen Organismen einen Besatz aus N-Glycolylneuraminsäure. Das war zunächst ein großer biologischer Vorteil, denn tierische Parasiten wie die Malaria-Plasmodien konnten nicht mehr in menschliche Zellen eindringen. Erst danach entwickelten sich die meisten menschlichen Infektionskrankheiten, darunter die gefährliche und oft tödliche Malaria tropica vor ca. 10 000 Jahren. Auch die nur bei Menschen so häufig auftretenden Herz-Kreislauf- Erkrankungen sind eine Folge dieses Gendefekts.
Der giftige Brennnesselbaum
Es ist schmerzhaft und unangenehm, wenn man Brennnesseln berührt. Einen Kontakt jedoch mit den Blättern und Stängeln des australischen „stinging tree“, des Brennnesselbaums, vergisst man nie. Der Wirkstoff, der den langanhaltenden Schmerz auslöst, wurde erst kürzlich aufgeklärt.
Mechanismen des Schlüpfens aus dem Ei bei Amnioten
Als rein terrestrisch lebende Wirbeltiere legten die Amnioten ursprünglich Eier an Land ab, aus denen die Jungtiere schlüpften. In Anpassung daran kam es zu einer Verstärkung der Eischale und damit verbunden zu der Ausbildung einer hornigen Struktur auf der Schnauzenspitze zum Schlüpfen aus dem Ei. Diese überlebenswichtige, nach einmaliger Benutzung hinfällige Bildung wird oft als „Eizahn“ bezeichnet. Sie wurde unabhängig voneinander in zwei Linien der Amnioten (Säugetiere und Squamaten) durch vorzeitig gebildete echte Zähne abgelöst, die ebenfalls nur kurzfristig existieren.
Sexualdimorphismus bei der inneren Uhr
Durch circadiane Rhythmen werden Verhaltensweisen und physiologische Prozesse von Mensch und Tier zeitlich strukturiert und an Licht-/Dunkelphasen als Zeitgeber angepasst. Die Desynchronisierung solcher zeitlichen Anpassungen kann zu Störungen normaler physiologischer Vorgänge und Krankheiten führen.
Rezeptor der Wurzelzellen bestimmt die Spezifität der Knöllchenbildung bei Leguminosen
Welche Bodenbakterien bei Leguminosen die Knöllchenbildung induzieren, bestimmen Rezeptoren in der Zellmembran der Wurzelzellen, die spezifisch bakterielle Nod-Faktoren erkennen. Die Rezeptoren sind Heterodimere. Ihre extrazelluläre Domäne mit drei Lysin-reichen Sequenzen enthält einen variablen Bereich. Bei den für die angeborene Immunität wichtigen homologen Rezeptoren hingegen ist die extrazelluläre Domäne hoch konserviert und reagiert nur mit den als Elicitoren wirksamen Chitin-Oligomeren.
Wie Pflanzen ihre Stammzellen regulieren
Spross-Apikalmeristeme erlauben es Pflanzen, ein Leben lang neue Blätter und Sprosse zu bilden. An ihrer Aufrechterhaltung sind mehrere Proteine beteiligt, die die Transkription regulieren und Signale weiterleiten. Jetzt konnte gezeigt werden, dass die Transkriptionsfaktoren WUS und STM, deren Beziehung zueinander bisher unklar war, direkt miteinander interagieren und so gemeinsam das CLV3-Gen aktivieren. Damit ist es gelungen die beiden Hauptkomponenten, die an der Aufrechterhaltung der Spross-Apikalmeristeme beteiligt sind, zusammenzuführen.
Erweiterung von Pfropfungsmöglichkeiten – Effekte einer spezifischen Cellulase
Pfropfungen von Sorten einer Art haben bei Kulturpflanzen große Bedeutung. Zwischen nahe verwandten Arten sind sie in manchen Fällen – insbesondere bei Nachtschattengewächsen – erfolgreich, zwischen Arten unterschiedlicher Taxa von Familienrang hingegen nur selten. Nun erwies sich eine als Cellulase wirksame Glucanase, die in den extrazellulären Raum abgegeben wird, als Voraussetzung für das Zusammenwachsen von Reis und Unterlage und Nicotiana benthamiana als für Pfropfungen besonders geeignet. Mit Spross- Stücken dieser Art als Zwischenkomponente werden Tomaten auf Unterlagen aus verschiedenen Familien gepfropft und erreichen Fruchtreife. Eine praktische Nutzung erscheint möglich.
Permafrostböden in Sibirien erodieren immer stärker
Prasinodermophyta – eine dritte „grüne“ Evolutionslinie
Tropenwaldentwicklung im 21. Jahrhundert
Walter Sudhaus, Andreas Wessel (Hrsg.): Der Mensch – Natur- und Kulturwesen.
Bernd Gomeringer, Jessica Sänger, Ulrike Sünkel, Gottfried Maria Barth, Max Leutner (Hrsg.): Vögel im Kopf – Geschichten aus dem Leben seelisch erkrankter Jugendlicher.
Wissenschaftsakademien in der Gesellschaft
Im Zuge der Corona-Krise geraten auch die Akademien in den Blick. Sie gelten als Heimstatt gesicherten Wissens und einer dem Alltag entrückten Hinwendung zu akademischen Fragen, doch sind sie in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend den Weg in die Öffentlichkeit gegangen.
Menschenbilder
Charles Darwin hat das Bild vom Menschen fundamental verändert: Die Erkenntnis, dass auch der Homo sapiens den gleichen Prozessen der Variation und Selektion unterliegt wie die Tiere, kam einer radikalen Reintegration in die Natur gleich. Mit den bahnbrechenden Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften wächst die Gefahr der Wirkungsmächtigkeit neuer, biologistisch und reduktionistisch ausgerichteter Menschenbilder. Ein Beispiel ist das naturalistische Menschenbild der gegenwärtigen Neurobiologie und Neurophilosophie, welche den freien Willen des Menschen als Illusion abtun.
Von der tragischen Übernutzung von Allgemeingut